Ein skandalöser Notstand

Kein humaner Lebensraum für seelisch-geistig behinderte Menschen

mit herausforderndem Verhalten.

Zahlen, Daten, Fakten

Zu der „uninteressanten Randgruppe“ der geistig behinderten Menschen mit herausforderndem Verhalten gibt es kaum Daten. Wir haben die uns zur Verfügung stehenden Informationen hier zusammengetragen.

Wieviel Menschen mit herausforderndem Verhalten und kognitiver Einschränkung leben in Oberbayern?

In Oberbayern sind circa 200 Menschen mit hohen Verhaltensauffälligkeiten in neun Einrichtungen im Intensivwohnen konzentriert (Stand 2020, Quelle: 1. PINO Newsletter 2020, PINO = Projekt Intensivwohnen Netzwerk Oberbayern). Wieviele in anderen Einrichtungen oder zu Hause leben,  ist nicht bekannt.

Wie hoch ist der Bedarf an Lebensorten für diese Randgruppe?

Hier liegt keine bekannte Zahl vor. Im PINO Newsletter Dezember 2020 (PINO = Projekt Intensivwohnen Netzwerk Oberbayern) sagt der oberbayerische Bezirkstagspräsident Josef Mederer, dass die aktuell vorhandenen 200 Intensivplätze bei Weitem nicht ausreichen.
Im Dezember 2020 startete eine erste bayernweite Erhebung zur Bedarfslage und Versorgungssituation von Menschen mit geistiger Behinderung und herausfordern Verhaltensweisen. Diese Erhebung erfasst lediglich Menschen,  die in einer bayerischen Wohneinrichtung untergebracht sind. Sie erfasst allerdings nicht die Menschen, die beispielsweise zu Hause leben.

Quelle: https://www.edu.lmu.de/esE/forschung/forsch_projekte/laufende_forschungsprojekte/projektbeschreibuung-pino/index.html

Wie viele dieser Menschen leben unter freiheitsentziehenden Maßnahmen (FEM)?

Ist (uns) nicht bekannt. Was allerdings bekannt ist, ist der Fakt, dass für die Aufnahme im Intensivwohnen Oberbayern zumeist eine richterliche Genehmigung für freiheitsentziehende Maßnahmen erforderlich ist.

Wie viele dieser Menschen leiden unter einem posttraumatischen Belastungssyndrom durch FEM?

Auch hierzu gibt es keine offiziellen Zahlen. Die AWMF (das Netzwerk der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften in Deutschland) widmet sich in ihrer S3-Leitlinie, Version 19.12.2019, in keinem einzigen Kapitel den Menschen mit Assistenzbedarf.

Wie viele dieser Menschen sind in den psychiatrischen Kliniken untergebracht, weil sie keinen Lebensort finden?

Auch hierzu ist die Faktenlage unbekannt. Laut einer Präsentation des Bezirks Oberbayerns aus 2019 sind in den KBO-Kliniken sogenannte „Langlieger“, die bis zu einem Jahr oder noch länger in der Klinik bleiben, untergebracht, weil für sie kein Lebensort gefunden werden kann. (Quelle: www.lebenshilfe-wm-sog.de/images/Newsslider/FachtagWohnen_BezirkOberbayern.pdf)

Werden in Deutschland evidenzbasierte Therapien für diese Menschen angeboten?

Es gibt kein verbindliches oder einheitliches evidenzbasiertes Konzept. Dr. Wolfram Kulig schreibt in seiner Präsentation anlässlich des Fachtages zu den Ergebnissen des KVJS-Forschungsvorhabens „Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung und sogenannten herausfordernden Verhaltensweisen in Einrichtungen der Behindertenhilfe in Baden-Württemberg“ am 20.2.2019 Folgendes:

  • „Im Gegensatz zu westlichen Staaten, die sich auf verhältnismäßig wenige, meist evidenzbasierte Verfahren konzentrieren, existiert in Deutschland eine Fülle von Ansätzen, die positive Wirkungen in Bezug auf herausforderndes Verhalten für sich beanspruchen; oftmals jedoch ohne einen systematischen Wirkungsnachweis.
  • Insgesamt fanden wir in der Untersuchung 55 Verfahren, die in der pädagogisch – therapeutischen Arbeit mit der Zielgruppe eingesetzt werden.“

(Zitat aus: https://www.kvjs.de/fileadmin/dateien/Forschung/Aktuelle_Vorhaben/Menschen_mit_Behinderung_und_herausforderndem_Verhalten/3_Zahlen_und_Daten.pdf)